Wie verhalte ich mich als Angehöriger?
Alleine läuft sie die Straße entlang. Ganz in Schwarz gekleidet. Ihre Haltung verrät schon von weitem ihre gedrückte Stimmung. Ihr nähert sich ein bekanntes Gesicht. Eine langjährige Bekannte. Diese erkennt die schwarz gekleidete Gestalt, die auf sie zusteuert…
… und wechselt die Straßenseite.
Eine erlebte Situation, von der mir kürzlich eine Klientin berichtete. Ihr Mann starb vor einigen Monaten unerwartet und ohne die Möglichkeit eines Abschieds. Seitdem versucht sie, ihre Situation zu bewältigen. Irgendwie weiterzumachen und zu funktionieren.
Es gibt schlimme und weniger schlimme Tage. Ihr Umfeld ist inzwischen der Ansicht: „Nun ist es doch langsam genug“ und sie müsste doch „Endlich nach vorne blicken.“
Familie und Freunde sind zunehmend überfordert und genervt.
Was steckt dahinter?
Viele Menschen verspüren im Umgang mit einer trauernden Person eine gewaltige Unsicherheit. Was soll man sagen? Etwas Tröstendes oder Ablenkendes? Darf ich fragen „Wie geht es dir?“ oder darf ich überhaupt einen „Guten Tag“ wünschen? Die Verunsicherung ist riesig.
Völlig nachvollziehbar – vermutlich hat jeder Mensch schon einmal diese Unsicherheit gespürt, wenn er mit den Themen Tod und Trauer konfrontiert war. Oftmals führt diese Sprach- und Hilflosigkeit jedoch dazu, erstmal gar nichts zu tun – aus Angst, etwas falsch zu machen.
Doch wie bei der medizinischen „Ersten Hilfe“ gilt auch hier: Nichtstun ist immer kontraproduktiv und kann sogar verletzend sein.
So wie die ehemals gute Bekannte meiner Klientin, die fluchtartig die Straßenseite wechselte, um einem Gespräch zu entgehen. Der trauernden Person gibt so eine Aktion das Gefühl, ein Aussätziger zu sein, der nicht mehr am Leben teilhaben darf.
Wie verhalte ich mich als Angehöriger in dieser Situation?
1. Da sein: Such den Kontakt und beachte, dass das nicht immer Reden bedeuten muss. Auch gemeinsames Schweigen kann für Betroffene hilfreich sein. Wohlgemerkt, das auszuhalten, ist nicht einfach.
Ebenfalls hilfreich: Eine Karte, ein schriftliches Angebot für einen Besuch oder einen Blumenstrauß. Trauernde freuen sich über kleine Gesten und Angebote. Versuch schlicht „da“ zu sein.
2. Fragen stellen: Schrecke nicht davor zurück, Fragen zu stellen. Merkwürdigerweise trauen sich viele bei einer trauernden Person nicht, die naheliegendsten Fragen zu stellen: Wie geht es dir? Was fühlst du? Was denkst du?
Menschen in einer Verlustsituation sind oft froh, wenn sie über sich selbst reden können. Gib die Gelegenheit dafür und die betroffene Person wird dir dankbar sein.
3. Eigene Hilflosigkeit ansprechen: Wenn dir die Worte ausgehen, thematisiere deine Hilflosigkeit oder sprich deine Gefühle an: „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll“ oder „Mich macht das hilflos“ ist besser als ein Nichtstun oder Ausweichen.
4. Hilfe anbieten: Biete Hilfe in der Bewältigung des Alltags an. Gerade in der Anfangsphase nach einem schweren Verlust vergessen Trauernde die grundsätzlichen Dinge wie z. B. sich etwas zu essen machen.
5. Sich in Geduld üben: Mach dir bewusst, dass Trauer eine schwere Krise ist, die sehr lange dauern kann. Sehr lange! Jeder braucht hier seine individuelle Zeitspanne.
5. Vertrauen: Glaube daran, dass die trauernde Person ihren eigenen Weg findet. Einen Weg „zurück in ein neues Leben“ auch wenn es gerade nicht danach aussieht.
Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Trauernde den Wunsch nach Suizid/“Nachsterben wollen“ äußern oder so gar nicht mehr über ihre Gefühle sprechen können. Dann sollte professionelle Hilfe gesucht werden, denn es könnte sich um eine Depression handeln.
Wichtig: Eine Depression kann an der Abwesenheit von Gefühlen erkannt werden – Trauer am Gegenteil davon.
7. Hinhören, aushalten und das auch bei Wiederholungen: Behalte im Blick, dass es einer trauernden Person am meisten hilft, wenn sie das Gefühl hat, verstanden zu werden. Dazu gehört es zwangsläufig, Wiederholungen auszuhalten.
Menschen in einer Verlustkrise haben stets die gleichen Gedanken und wollen immer über das Gleiche reden. Das ist kein Zeichen von Stillstand, sondern ein wichtiger Bestandteil des Prozesses. Es geht darum, sich selbst zu verdeutlichen, was geschehen ist und sich das immer wieder bewusst zu machen. Am besten geht das durch Reden.
Sehr empfehlenswert: Trauergruppen, Trauercafés oder ein Trauerbegleiter für Einzelgespräche.
8. Ratschläge weglassen: Achte darauf, der trauernden Person keine Ratschläge erteilen zu wollen.
Sätze wie „Das wird schon wieder“ oder „Lies doch mal ein schönes Buch“ oder „Du kannst noch ganz viele andere Kinder haben“ richten das Gegenteil von dem an, was Sie bewirken wollen. Sie schaden!
9. Aktivitäten ausprobieren: Biete z. B. gemeinsame Spaziergänge an. Viele Trauernde sind gern in der Natur. Außerdem lässt sich bei einem gemeinsamen Spaziergang auf angenehme Art und Weise eine längere Schweigephase aushalten.
10. Nenne den Verstorbenen bei seinem Namen: Das ist eine dieser Merkwürdigkeiten im Umgang mit Trauer. Aus Angst davor, jemanden zu verletzen, wird die verstorbene Person im Gespräch vermieden.
Erscheint die Person dann doch im Gespräch, geschieht das oft auf eine herum drucksende Art und Weise. Die verstorbene Person konsequent beim Namen nennen, verleiht ihr die Würde & Menschlichkeit.
Unfassbar wichtig ist im Trauerprozess 🖤
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